Weiße Rosen für Frankfurts Drogentote

Weiße Rosen für Frankfurts Drogentote

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Foto: Katerina Holmes / Pexels

Am 21. Juli wird in vielen Kommunen der Internationale Gedenktag für verstorbene drogengebrauchende Menschen begangen. Diesen Tag des Erinnerns organisiert der JES Bundesverband e.V. Junkies | Ehemalige | Substituierte bereits seit 1998. Seitdem hat er sich zum größten bundesweiten Aktions-, Trauer- und Präventionstag im Bereich illegalisierter Drogen entwickelt. Auch die Drogenhilfeeinrichtungen aus Frankfurt am Main beteiligen sich jedes Jahr daran und gestalten diesen besonderen Tag entsprechend eines jährlich wechselnden Mottos. Dass Hinterbliebene weiße Rosen für die Verstorbenen auslegen, ist dabei zum festen Ritual geworden.

Am 21. Juli 1994 starb in Gladbeck der junge Drogenkonsument Ingo Marten. Seine Mutter konnte eine Gedenkstätte für ihn und andere verstorbene Drogengebrauchende einrichten. Sie brachte die Stadt Gladbeck dazu, sich an der Errichtung zu beteiligen, woraufhin weitere Kommunen ähnliche Erinnerungsorte einzurichten begannen.

Infolgedessen veranstaltete der „Landesverband der Eltern und Angehörigen für humane und akzeptierende Drogenarbeit NRW e.V.“ im Jahr 1998 den ersten offiziellen Gedenktag für verstorbene drogengebrauchende Menschen. Später übernahm der JES Bundesverband e.V. Junkies | Ehemalige | Substituierte die Organisation des Gedenktages. Der im Jahr 1989 von der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. in Hamburg gegründete Verein ist Interessenvertretung und Selbsthilfenetzwerk drogengebrauchender Menschen.

Die Strahlkraft des anfangs lokalen Gedenktages erreichte national und international weit mehr als 100 Städte, so dass sich inzwischen in Deutschland rund 350 Organisationen und Initiativen daran beteiligen. Auch international finden am 21. Juli in Spanien, Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien, Kanada, Australien und Schweden viele Aktionen statt.

Obwohl viele beteiligte Akteure in Bezug auf nachhaltige drogen- und gesundheitspolitische Ziele unterschiedliche Vorstellungen haben, finden sie alle am 21. Juli zusammen. Sie wollen eine menschenwürdige Drogenpolitik, die das Überleben von Drogengebrauchern sichert. Heute ist der Internationale Gedenktag für verstorbene drogengebrauchende Menschen zu einer Bewegung geworden, die den Hinterbliebenen persönlichen Raum für ihre Trauer gibt. Zugleich steht dieses Datum auch dafür, die prekäre Lebenssituation der im öffentlichen Raum Lebenden sichtbar zu machen.

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Video: YouTube / Katholische Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall Internationaler Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher*innen am 21.Juli 2021.
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Video: YouTube / Katholische Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall Drogengedenktag 2022.

Den Verstorbenen zu gedenken, hilft, mit den lebenden Drogengebrauchern solidarisch zu sein. Deshalb ist der Gedenktag ein Tag aktiver Erinnerungskultur, an dem privates Gedenken und öffentliche Mahnwachen, Gottesdienste, Infostände, Street-Art oder Performances für eine nachhaltigere Drogenpolitik untrennbar miteinander verbunden sind.

Mittlerweile haben die Organisatoren des Gedenktages in ihren Kommunen dem Gedenktag jeweils einen festen Rahmen gegeben, der den Hinterbliebenen Raum für persönliche Rituale bietet. Zudem erfährt das Gedenken im öffentlichen Raum immer mehr Aufmerksamkeit. Auch in Frankfurt hat sich ein fester Tagesablauf etabliert. Die kommunalen Drogenhilfeeinrichtungen nutzen die Woche vor dem 21. Juli für die Vorbereitungen. Diese sind bereits Bestandteil des Gedenkens. So können Freunde und Verwandte von Verstorbenen im Café im Eastside des idh e.V. sich an der bundesweiten Kunstaktion beteiligen. Künstlerische Tätigkeiten wie Malerei, Fotografie oder das Gestalten von Collagen können bei den Hinterbliebenen eine heilende Wirkung entfalten. Bemalte Gedenksteine und handgemachte Symbole wie Schattenrisse oder Schmetterlinge, die als Vorlagen für Graffitis dienen, sind während der Kundgebung am Hauptbahnhof ein wichtiger Bestandteil der Trauerbewältigung. Schmetterlinge sind ebenfalls als Motiv auf den offiziellen Printmedien wie Postern, Flyern und Bannern abgebildet.

Der Tagesablauf des Gedenktages gestaltet sich üblicherweise in einem festgelegten Rahmen mit geringfügigen Änderungen. Man beginnt vormittags um 10:00 Uhr im Drogenhilfezentrum La Strada in der Mainzer Landstraße 93. Im dortigen Trauercafé können sich Hinterbliebene bis 12:00 Uhr versammeln und sich über das Motto des Gedenktages informieren. Nachmittags setzen gemeinsame Veranstaltungen das Erinnern fort. Im Bahnhofsviertel findet in der Kaiserstraße eine Kundgebung mit Reden und musikalischer Begleitung statt. Anschließend legen die Trauernden dort zum Andenken an die Verstorbenen weiße Rosen aus. Danach erfolgt ein gemeinsamer Trauermarsch zur nahegelegenen Gedenkplatte im Lesegarten der Taunusanlage. Wer vom Eastside idh e.V. aus mit der Straßenbahnlinie 11 zur Kundgebung fahren möchte, sollte sich dort um 12:00 Uhr einfinden. Von dort fahren Mitarbeiter*innen und Klient*innen gemeinsam zum Hauptbahnhof und später wieder zurück. Die Fahrkarten werden spendiert.

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Video: YouTube / AHF – AIDS-Hilfe Frankfurt e.V.
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Video: YouTube / AHF – AIDS-Hilfe Frankfurt e.V.

Offiziellen Zahlen aus dem Jahr 2022 zufolge verdoppelte sich die Zahl der Drogentoten in den vergangenen zehn Jahren von 944 auf 1.990. Nach Angaben des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen hat sich die Lage seitdem drastisch verschärft. Im Jahr 2023 registrierte das Bundeskriminalamt 2227 drogenbedingte Todesfälle. Dies entspricht einem Anstieg von rund zwölf Prozent innerhalb eines Jahres. Ins Auge sticht die enorme Diskrepanz zwischen verstorbenen Männern (1844) und Frauen (383). Auch ist deren Durchschnittsalter mit 41 Jahren weiter angestiegen.

Nach wie vor gehören der Konsum von Heroin und Morphin sowie die Langzeitfolgen des Drogenkonsums zu den maßgeblichen Todesursachen. Seit etwa zwei Jahren steigt jedoch der Anteil an verstorbenen Konsumenten, die speziell polyvalente Vergiftungen verbunden mit Kokain, Crack oder Amphetaminen erlitten haben.

Die öffentlichen Angebote orientieren sich an den konkreten Bedarfen der drogenkonsumierenden Menschen. Sie umfassen Suchtberatung, lebenspraktische Hilfen und Aufenthaltsmöglichkeiten, so wie medizinische Erstversorgung, Therapieangebote, den flächendeckenden Ausbau von Drogenkonsumräumen und das Drug Checking. An diesen Inhalten orientieren sich die jährlich wechselnden Themen des Gedenktages. So lautet das Motto für 2024 „Konsumsicherheit für Alle(s)“. Um die Risiken des Konsums für drogengebrauchende Menschen nachhaltig zu minimieren, brauchen diese ein schützendes Umfeld mit sicheren Maßnahmen wie Drug Checking, Drogenkonsumräume und Diamorphinvergabe.

Im Jahr 2023 wurde die bundesweite Rechtsgrundlage für das Drug Checking geschaffen, was seinen bundesweiten, flächendeckenden Auf- und Ausbau zum Ziel hat. Zudem soll damit die medizinische Versorgung weiterentwickelt und beispielsweise die Opioid-Substitutionstherapie auch für Menschen ohne Krankenversicherung ausgebaut werden.

Damit soll Drogengebrauchenden geholfen werden, deren Vergiftungen mit psychoaktiven Medikamenten, wie opioidhaltigen Schmerz- und Hustenmitteln, Beruhigungs- und Schlafmitteln, Anregungsmitteln, Narkosemitteln und Gasen, zusammenhängen. Gerade der Mischkonsum verschiedener illegaler Substanzen wird zur größten Herausforderung nachhaltiger Drogenpolitik werden.

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Video: YouTube / AHF – AIDS-Hilfe Frankfurt e.V

Obwohl durch Drogenkonsum gestorbene Menschen immer öfter obduziert und toxikologische Gutachten erstellt werden, gehen die Experten davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Drogentodesfälle weit höher ist. Denn in Deutschland und Europa steigt das Angebot an Kokain stark an. Zugleich überschwemmen global agierende Kartelle die Märkte mit Opioiden und Stimulanzien, die sowohl billiger, als auch wirksamer sind. Deshalb bedeutet nachhaltige Drogenpolitik, die Präventions-, Beratungs- und Hilfesysteme weiterhin in vollem Maße zu unterstützen.

Dass in den letzten Jahren drei Viertel der öffentlich finanzierten Suchtberatungsstellen nicht kostendeckend arbeiten können, hat fatale Folgen, die von eingeschränkten Beratungen bis zu komplett eingestellten Angeboten reichen. Um darauf aufmerksam zu machen, lautete das Motto im Jahr 2023 Drogentod ist Staatsversagen. Denn für den kontinuierliche Anstieg von Drogentodesfällen sei auch die Politik mitverantwortlich. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse würden ignoriert, stattdessen werde zu lange an veralteten Konzepten festgehalten. Die Schirmfrau des Gedenktages 2023, die drogenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Linda Heitmann, bekräftigte den politischen Willen, dies zu ändern und die Anzahl weiterer Todesfälle zu reduzieren. Dafür wurden zwischenzeitlich die rechtlichen Grundlagen geschaffen, bundesweite Angebote zur Drogenprüfung und den Zugang zur Substitution mit Diamorphin zu ermöglichen.

Nachhaltige Drogenpolitik kann nur innerhalb sicherer und vertrauensvoller Rahmenbedingungen gelingen. In diesem Sinne lautete das bundesweite Thema 2021 „Versorgungssicherheit – Substitution für alle Opioidkonsument*innen“. Die damalige Schirmfrau des Gedenktages, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Frau Daniela Ludwig, baute auf Maßnahmen wie die Kampagne 100000 Substituierte und das Bundesmodellprojekt Naloxon.

Versorgungssicherheit war bereits im Jahr 2020 bundesweites Thema. Pandemiebedingt erweiterte sich der Fokus des internationalen Gedenktags zu „Covid 19 und Versorgungssicherheit“. Unabhängig von der COVID-19-Pandemie forderten alle Schirmpersonen des Gedenktages, dass Wohnraum und soziale und medizinische Hilfen dauerhaft ein Menschenrecht bleiben müssen. Während der Corona-Pandemie verschärfte sich die Not drogengebrauchender Menschen dramatisch, weil durch die eingeschränkt arbeitenden Hilfesysteme deren ohnehin schon prekäre Lage noch lebensbedrohlicher wurde. Der hohe Stellenwert, den die vielfältigen und praxisnahen Hilfesysteme für drogengebrauchende Menschen haben, wurde gerade während der Corona-Krise offensichtlich. Denn Menschen in prekären Lebenssituationen brauchen Hilfesysteme, die sie darin unterstützen, Wohnraum und soziale und menschliche Hilfe zu finden. So erhielten während der COVID-19-Pandemie viele wohnsitzlose, drogengebrauchende Menschen eine Zuweisung in Hotels oder andere Unterkünfte. Der 21. Juli ist der Tag, an dem alle Akteure wiederholt fordern, dass „Versorgungssicherheit“ auch unabhängig von einer weltweiten Pandemie dauerhaft gelten muss.

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Video: YouTube / Caritasverband Kleve #DuFehlst – zum internationalen Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige 2022.
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Video: YouTube / Caritasverband Kleve #DuFehlst – zum internationalen Gedenktag für verstorbene Drogenabhängige 2022.

Jeder Internationale Gedenktag für verstorbene drogengebrauchende Menschen wird von einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens begleitet, die die Schirmherrschaft dafür übernimmt. Die Schirmfrauen und Schirmherren sind kein dekoratives Beiwerk, sondern sind für den Gedenktag richtungsweisende Stützen. Sie sind drogenpolitische Expert*innen, wie beispielsweise der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung Burkhard Blienert.

Im Jahr 2024 ist es der ehemalige Bahnbeamte Jürgen Heimchen, der sich nach dem Drogentod seines Sohnes im Jahr 1992 ehrenamtlich für eine akzeptanzorientierte Drogenarbeit engagiert. Er gründete 1993 die Selbsthilfegruppe „Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik Wuppertal“. Für die Befürworter akzeptierender Drogenarbeit haben drogengebrauchende Menschen ein Recht auf Menschenwürde, unabhängig davon, ob sie ihren Drogenkonsum aufgeben wollen oder können. Dass im Jahr 2001 in Wuppertal der bundesweit erste Drogenkonsumraum eingerichtet wurde, ist in erster Linie Heimchens Verdienst. Er moderiert bundesweite Elterntreffen und arbeitet bei der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. im Fachbereich Drogen. Für sein ehrenamtliches Engagement ist er mehrfach geehrt und ausgezeichnet worden.

Neben den jährlich aktualisierten Themen und Aktionen sind die Schirmfrauen und Schirmherren die dritte Säule des Gedenktages. Mit ihrem beeindruckenden Engagement und ihrer persönlichen Geschichte stehen sie dafür ein, dass der Gedenktag auch weiterhin im öffentlichen Bewusstsein bleibt.

Internationaler Gedenktag für verstorbene drogengebrauchende Menschen:

JES Bundesverband e.V.
Junkies | Ehemalige | Substituierte
Wilhelmstr 138
10963 Berlin
Telefon: 030 / 690087 56
Fax: 030 / 690087 42
E-Mail: vorstand|at|jes-bundesverband.de

Bundesweite Aktion in vielen Städten Deutschlands und Österreichs:

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Foto: Karola Neder / Drogenhilfezentrum der Aidshilfe Frankfurt e.V.

Integrative Drogenhilfe e.‍V. (idh)
Café im Eastside (idh)
Schielestraße 22
60314 Frankfurt am Main
Telefon: 069 / 94 19 70-0
Fax: 069 / 94 19 70-25
E-Mail: info@idh-frankfurt.de


Drogenhilfezentrum La Strada
La Strada – Drogenhilfe & Prävention
Mainzer Landstraße 93
60329 Frankfurt am Main
E-Mail: bewodrogen@ah-frankfurt.de
Telefon: 069 / 231050
Fax: 069 / 231004


AHF – AIDS-Hilfe Frankfurt e.V.
Friedberger Anlage 24
60316 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69 / 40 58 68 0
Fax: 0 69 / 40 58 68 40
E-Mail: info@ah-frankfurt.de

Text: rek
Bilder: Karola Neder, Pixabay
Videos: YouTube

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