Auch wenn Frankfurt am Main heutzutage von den Türmen der Finanzwelt geprägt ist, stehen hier und da noch Türme aus der Renaissance und dem Spätmittelalter: Der Eschenheimer Turm, der Rententurm, sowie der Kuhhirtenturm sind die einzigen, die von den Plänen zur Schleifung der Frankfurter Befestigungsanlagen verschont geblieben waren. Daneben stehen auch noch vier der Landwehrtürme, die damals außerhalb der Stadtmauern lagen. Aber auch die eingemeindeten Türme, und jene Bauten, welche nichts mit der Stadtverteidigung zu tun hatten, dürfen nicht vergessen werden.
Schaut man sich die Skyline Frankfurts an, wird man sie vermutlich nicht finden – die standhaften Türme, die über die Stadtbevölkerung und das Frankfurter Umland wachten. Einst waren sie Teil der Stadtbefestigung, bevor viele von ihnen geschleift wurden. Fun Fact: Die Türme, die am deutlichsten aus der Skyline herausragen, sind der Turm an der Südseite des Rathauses, der Lange Franz, der kein Wehrturm ist, sondern ein Repräsentativbau der zwischen 1900 und 1904 entstand, und sein Nachbar, der Kleine Cohn, der zur gleichen Zeit entstand. Sie sind die jüngsten der alten Türme.
Inhaltsverzeichnis
Die drei Wehrtore Frankfurts
Zum großen Teil sind aus der spätkarolingischen und frühmittelalterlichen Zeit nur Reste der alten Wehrbefestigungen erhalten, wie Teilstücke der Staufenmauer am Main und anderer, die in Ausgrabungen gefunden wurden. An Ortsnamen wie Allerheiligentor lässt sich erkennen, dass es früher in der Stadt weitaus mehr Türme als nur das Eschenheimer Tor gegeben hat. Heute stehen von der dritten Wehranlage noch drei Wehrtore. Die anderen Türme wurden ca. 1809 im Zuge der Schleifung der Wehranlagen abgetragen. Am Standort des Bockenheimer Tors wurde 1880 die Alte Oper gebaut. Die ehemalige Sternschanze, welche ab 1628 im Rahmen des Umbaus zu einer modernen Stadtverteidigung an die Stadtmauer angebaut wurde, bildet heute den Grüngürtel der Stadt.
Der Eschenheimer Turm
Der heutige Turm ist tatsächlich schon der zweite Eschenheimer Turm. Der ursprüngliche, erste Eschenheimer Turm wurde fast genau 100 Jahre zuvor, während der Stadterweiterung, im Spätmittelalter gebaut und fertiggestellt.
Die Grundsteinlegung des heutigen Turmes fand Anfang des 15. Jahrhunderts statt, nachdem im selbigen Jahr der bisherige Turm abgebrochen worden war. Bis 1426 existierte nur ein stadtmauerhoher Torbau, der danach innerhalb von zwei Jahren zum zweiten Turm ausgebaut wurde und so seine heutige Gestalt erhielt.
Als 1628 die Stadtmauer um die Sternschanze erweitert wurde, erhielt der Turm ein barockes Torgebäude.
Ab 1804 wurde mit der Schleifung der Befestigungsanlagen begonnen. Auch der Abriss des Eschenheimer Turms war geplant gewesen, wurde jedoch durch den Einspruch des damaligen Gesandten der französischen Besatzungsmacht nicht vollzogen. Bis 1875 gab es immer wieder Anträge, das Gebäude abzureißen. Entfernt wurde jedoch nur sein barockes Torgebäude im Jahr 1864. Zudem starb Anfang der 1890er Jahre der seit dem zweiten Turmbau vorhandene Efeu ab.
Ein Kuriosum ist die Wetterfahne mit neun Löchern. Der Sage nach erkaufte sich der Wilddieb Hans Winkelsee seine Freiheit, indem er mit neun Meisterschüssen – entsprechend der Länge seiner Inhaftierung – die Ziffer 9 in die Wetterfahne des Turms schoss. Die heutige Fahne ist jedoch eine Nachbildung, die 1976 angebracht wurde.
Der Kuhhirtenturm
Im Rahmen des Baus der neuen Stadtbefestigung im Jahr 1390 errichtet, steht der Kuhhirtenturm im Norden Sachsenhausens nahe des Mains. Das anliegende Tor diente primär den ansässigen Fischern als Durchgang zum Fluss. Die enge Bebauung Sachsenhausens schützte den Turm vor dem Abriss im Zuge des Abbaus der Wehranlagen. Ein weiterer, 1884 geplanter, Abriss des zu dem Zeitpunkt maroden Turms wurde durch Bürgerproteste verhindert.
Ab 1923 stellte die Stadt Frankfurt dem Komponisten Paul Hindemith den Kuhhirtenturm als Mietwohnung zur Verfügung. Dieser wohnte nur bis 1927 darin, sodass Mutter und Schwester dort allein bis 1943 verblieben.
Der im Krieg zum Teil zerbombte Turm wurde zunächst als Notunterkunft genutzt, danach im Rahmen des Baus einer Jugendherberge restauriert und von dieser als Lager genutzt.
Seit 2011 wird der Turm von der Hindemith Stiftung als Erinnerungsstätte für den Komponisten genutzt, mit Ausstellungsräumen zu seinem Leben und Werk sowie einem Musikzimmer für Kammerkonzerte und Veranstaltungen.
Führungen:
Wann: einmal im Monat an wechselnden Tagen
jeweils 14:00 – 15:30 Uhr
Kosten: 17€
Kontakt:
Kulturothek Frankfurt
Markt 32
60311 Frankfurt am Main
Tel.: 069 281010
E-Mail: info@kulturothek.de
Besichtigungen:
Wann: Sonntags 11:00 – 18:00 Uhr
Nach Vereinbarung auch andere Tage
Kosten: 3€ (1,50€ ermäßigt, U18 frei)
Kontakt:
Hindemith Institut
Tel.: 069 5970362 (Mo-Fr 9:00 – 13:00 Uhr)
E-Mail: institut@hindemith.org
Der Rententurm
Auch der Rententurm wurde beim Ausbau der Stadtbefestigung errichtet, jedoch erst im Zeitraum von 1454 bis 1456. Er wurde direkt an den Saalhof angebaut, einem noch heute stehenden Bau aus dem 12. Jahrhundert. Er diente als Wachturm für das Fahrtor, welches einen direkten Zugang zum Römerberg bot. In dieser Funktion, und getreu seines Namens, beherbergte er das Rentamt (s.u.). Von ihm wurden die Hafengebühren und Zölle erhoben. Diese wurden in entsprechenden Zollbüchsen gesammelt und einmal die Woche in das Rechneiamt (s.u.) gebracht. Zusätzliche Zollstellen befanden sich auch an anderen Stadttoren.
Rentamt (Rentei, Renterei, Rentkammer): Finanzbehörde, die ab dem Spätmittelalter die grundherrschaftlichen Einkünfte (Renten) verwaltete.
Rechneiamt: Das Amt, welches für die städtischen Finanzen, wie z.B. Haushalt, Bürgschaften, Versicherungen und später auch die städtischen Wirtschaftsbetriebe zuständig war.
Zu den Abgaben gehörte auch das sogenannte Ungeld, das von den Kistenherren erhoben wurde. Das waren Ratsherren, die jene Kisten verwalteten, in denen das Geld im Rententurm gelagert wurde. Das Ungeld war eine Verbrauchssteuer auf Wein, Salz und andere Lebensmittel. Daneben wurde bei der Einfuhr von alkoholischen Getränken eine „Niederlage“ erhoben, während bei der Ausfuhr eine sogenannte „Steinfuhr“ fällig wurde. Der Name kommt von der ursprünglichen Verordnung, dass Fuhrleute für jedes transportierte Fass Wein im Gegenzug eine Ladung Steine für das städtische Bauamt fahren mussten. Für die Benutzung des Hafenkrans und der Brücke fielen ebenfalls Gebühren an: das Krangeld sowie das Brückengeld.
Als Nachweis, dass man die entsprechenden Abgaben bezahlt hat, erhielt man kleine Bleizeichen, die man am Tor und bei den städtischen Marktaufsehern vorzeigen musste.
Die Landwehr: Vier Türme und drei Hofreste
Frankfurt war nicht nur reines Stadtgebiet. Teile des umliegenden ländlichen Raumes gehörten ebenfalls dazu – inzwischen bilden diese Räume und viele der umliegenden Ortschaften die Stadtteile außerhalb des heutigen Grüngürtels. Die Warten überwachten die Handelswege außerhalb der Stadt, die durch das Frankfurter Gebiet in die Stadt führten, um nahende Feinde frühzeitig zu erkennen und zu melden. Die dazugehörigen Befestigungen und Wehrhöfe der Warten sind heutzutage schon lange entfernt.
Von einigen der nicht mehr existierenden Landwehrbauten und Anlagen bestehen aber noch die Namen, wie Dornbusch oder auch das Gutleutviertel. Während vom Riedhof nur noch die Pferdetränke steht, findet sich von den Riederhöfen noch der spätgotische Torbau aus dem Jahre 1492 nahe der Straßenbahnhaltestelle Riederhöfe. Vom Kühhornshof, auch Knoblauchshof oder Bertramshof genannt, steht noch der Wehrturm. Dieser befindet sich öffentlich nicht zugänglich und nicht einsehbar auf dem Gelände des Hessischen Rundfunks.
Drei der vier Warten wurden seit 1886 von der Stadt als Abluftschächte der Frankfurter Kanalisation genutzt, und erst in der Neuzeit wurde dies teilweise geändert. Lediglich die Sachsenhäuser Warte hatte durch die natürliche Barriere des Mains das Glück, nicht an die Kanalisation angeschlossen zu werden.
Die Bockenheimer Warte
Errichtet zwischen 1434 und 1435, ist die Warte Teil der Frankfurter Landwehr gewesen. Interessanterweise liegt die Bockenheimer Warte trotz ihres Namens im Stadtteil Westend. Sie markierte die Grenze zwischen der Freien Reichsstadt Frankfurt und Bockenheim.
Die Friedberger Warte
Auch die Friedberger Warte wurde im Rahmen der Frankfurter Stadterweiterung im Spätmittelalter 1478 neu errichtet. Zuvor stand dort seit 1350 sein hölzerner Vorgänger auf dem Eulenberg. Wie die meisten Türme Frankfurts ist die heutige Warte im spätgotischen Stil gehalten. Sie besitzt noch ihren Wehrhof und das ehemalige Wachhaus. Das darin befindliche Apfelweinlokal besteht schon seit 1815. Seit dem Umbau der örtlichen Gegebenheiten steht die Warte nicht mehr isoliert auf einer Verkehrsinsel, sondern ist über einen Platz für Fußgänger gut und sicher erreichbar.
Die Galluswarte
Erbaut wurde die Galluswarte 1414. Sie ersetzte die dort stehende hölzerne Warte zu den guten Leuten. Die namentliche Nähe zum Gutleutviertel ist dabei nicht zufällig: Der Name bezog sich auf den in der Nähe der Warte gelegenen Gutleuthof, einer frommen Bruderschaft, die Leprakranke versorgte. Die Galluswarte selbst wurde bis 1903 Galgenwarte genannt, da im Osten des Standortes das Galgenfeld lag. Mit der Gründung der St. Gallus Gemeinde wurde sie in Galluswarte umbenannt.
Architektonisch sind neben dem eigentlichen Wartturm auch ein Stück Mauer mit Tor erhalten. Anstelle ihrer Wehrgebäude besitzt die Warte heute zwei Trinkhallen: die Trinkhalle an der Galluswarte und die Trinkhalle im Turm. Kurioserweise (oder beschwipsterweise) sind die Namen genau falsch herum.
Die Sachsenhäuser Warte
Auch diese Warte ist nicht das mittelalterliche Original, sondern steht erst seit dem 16. Jahrhundert in Sachsenhausen. Alle ihre Vorgängerinnen wurden zerstört. Optisch ähnelt sie dennoch den anderen Türmen und Warten der Stadt, nur die Turmspitze fällt flacher aus. Die erste der Sachsenhäuser Warten war ein hölzerner Turm auf dem Mühlberg, welcher 1414 durch eine steinerne Warte auf dem Sachsenhäuser Berg ersetzt wurde. Diese wurde jedoch schon 1416 im Auftrag des damaligen Trierer Erzbischofs zerstört. Die dritte Version wurde, mit Schutzbrief des Kaisers, 1470/71 errichtet und überstand 1519 sogar einen Krieg, wurde aber 1552 während des Fürstenaufstandes niedergebrannt. Sie wurde wieder aufgebaut, besitzt noch ihren Fluchthof und fungierte eine Zeit lang als Gasthaus mit Restaurant.
Fun Fact: Die Berger Warte steht auf dem höchsten Berg der Stadt, während die Sachsenhäuser Warte auf dem vierthöchsten Punkt steht.
Die drei eingemeindeten Türme
Neben den Türmen der Frankfurter Wehrbefestigung gehören durch die Eingemeindung von Höchst und Bergen-Enkheim (1977) noch der Höchster Ochsenturm, die Berger Warte und der Weiße Turm zur Stadt Frankfurt.
Der Ochsenturm
Der Ochsenturm war einstmals ein freistehender Wartturm, der vermutlich im 13. Jahrhundert gebaut wurde. Nachdem sowohl die Stadt Höchst als auch ihre Burg durch die Ritter von Kronberg zerstört worden war (eine Auftragsarbeit für die Stadt Frankfurt!), wurde der Turm beim Wiederaufbau der Burg und Stadtbefestigung in die Stadtmauer integriert. Er ist nicht öffentlich zugänglich.
Die Berger Warte
Als Wartturm diente die Berger Warte, neben ihrer Funktion als Beobachtungsposten, als Geleitwechselstation zwischen Frankfurt und Bischofsheim. An ihr begann und endete das Schutzgeleit der Stadt für reisende Händler. Die erste Warte (Gyriswarte) war aus Holz gebaut und wurde 1557 durch einen steinernen Turm ersetzt, nachdem sie 1552 von belagernden Truppen niedergebrannt wurde.
Die praktische Treppe zur Eingangstür wurde erst Mitte des 19. Jahrhunderts hinzugefügt, als es nicht mehr notwendig war, den Zugang zum Inneren des Turms zu erschweren. Dabei wurden die Steine des neben der Warte stehenden Galgens verwendet.
Der Weiße Turm
Zusammen mit der heutigen Berger Warte war dieser Wehrturm ein Teil der mittelalterlichen Befestigung Bergens, welche zur Abwehr Frankfurts und ihrer Landwehr gebaut wurde. Er wurde 1472 errichtet.
Begehbare Türme
Ein bekannter Turm fehlt noch in dieser Auflistung; einer, der ohne Probleme von Mai bis Oktober besucht werden kann: der Goethe-Turm. Er ist ein beliebtes Ausflugsziel für jene, die den Stadtwald besuchen. Aus heimischen Hölzern des Stadtwaldes erbaut, entstand der erste Goethe-Turm 1931 an der Stelle, an der bis kurz nach dem Ersten Weltkrieg ein kleinerer Holzturm stand. Nach einer Brandstiftung 2017, bei welcher der Turm vollständig niederbrannte, wurde auf Wunsch der Bürger*innen ein neuer Goethe-Turm errichtet. Im Großen und Ganzen ähnelt er dem alten, besteht jedoch aus Stahlelementen und europäischen Hölzern, die härter und haltbarer sind als die heimischen.
Im Rahmen eines Museumsbesuchs ist auch der Rententurm zugänglich. Er dient als zusätzliche Ausstellungsfläche für das Historische Museum. Seine schmalen Wendeltreppen sind eine Erfahrung für sich, könnten aber Menschen mit Raumangst Probleme bereiten. Daneben kann auch der Kuhhirtenturm im Rahmen einer bezahlten Führung von innen besichtigt werden. Alle anderen Türme sind generell nicht mehr öffentlich betretbar. Der Lange Franz dient heute dem Standesamt als Aktenlager.
Dank der geringen Distanz und der guten ÖPV-Anbindung lassen sich alle Türme an einem Tag besuchen.
Autor/in: paw