Der Christopher Street Day und Queerness in Frankfurt

Der Christopher Street Day und Queerness in Frankfurt

Was ist der CSD und was ist überhaupt Queer? Warum ist die Sichtbarkeitsmachung so wichtig? Für Menschen, die noch wenig Berührungspunkte mit LGBT+ haben, wird hier ein kleiner Über-/Einblick über die Geschichte, Begriffe und Symbole dieses vielfältigen Lebensbereiches geboten. Vielleicht bietet dieser Guide (Leitfaden) auch die ein oder andere Erkenntnis über sich selbst.

Der Ursprung des CSD: The Stonewall Uprising
(zu Deutsch: Der Stonewall Aufstand)

28ter Juni 1969, Greenwhich Village in New York City, USA. Um 1:00 Uhr nachts führt die New Yorker Polizei eine Razzia im Stonewall Inn durch, eines Clubs welcher bei Personen aus dem queeren Spektrum beliebt ist. Eigentlicher Zweck der Razzia ist es, dem Besitzer des Clubs, der Mafia (welche mit ihrem Bestechungsgeld an die Polizei im Rückstand ist), eine Lektion zu erteilen. Durch das brutale Verhalten der Polizei gegenüber den Clubbesuchenden eskaliert die Situation. Es flogen Münzen, Pflastersteine und brennbare Flaschen und die Polizei muss sich im Stonewall Inn verbarrikadieren. Für 5 Tage gab es Proteste und Straßenkämpfe, in der sich die Wut über die Diskriminierung, die ständigen Razzien und Schikanen in Gaybars, und LGBT+-freundliche Geschäfte, entlud. Prominente Figuren der ersten Stunde, die aus diesem Protest hervorgingen, sind die trans* Frauen und Drag-Queens1 Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera.
Obwohl es schon mehrfach Widerstand gegeben hat, gilt Stonewall als das Schlüsselereignis, welches zu einer Verbesserung der Rechte führte und einem Erwachen der „Pride“.

Geschichtlicher Kontext: Da Homosexualität als unamerikanisch und Sicherheitsrisiko angesehen wurde, wurden viele Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Militär und staatlichen Behörden entlassen und Bewerbungen solcher Menschen abgelehnt. Freiheiten, die Frauen noch in der Kriegszeit hatten, wurden danach wieder zurückgenommen. 1952 wurde Homosexualität von der Amerikanischen Psychiatrie Gesellschaft als Geisteskrankheit in den DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) hinzugefügt (dies wurde erst 1973 wieder zurückgenommen) .
Noch bis in die 60er Jahre hinein galten gleichgeschlechtliche Beziehung vielerorts als strafbar (und sind es noch heute). Das Ausleben der eigenen Sexualität konnte einem direkt in die Psychiatrie bringen.

Der CSD und queeres Leben in Frankfurt

Die Weimarer Zeit

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Foto: rsi / Frankfurter Engel (1994), Bronzeskulptur von Rosemarie Trockel. Mahnmal am Klaus-Mann-Platz zum Gedenken an die Homosexuellenverfolgung in Frankfurt am Main.

Die Goldenen Zwanziger des vorigen Jahrhunderts waren eine Blütezeit für die deutsche Kunst und Wissenschaft und ein Leben, auch hier in Frankfurt, das sich langsam von dem engen Korsett der traditionellen und binären2 Geschlechterrollen befreite, bis der Nationalsozialismus viele Fortschritte wieder zerstörte. Beispielhaft sei hier das von Magnus Hirschfeld geleitete „Institut für Sexualität“ genannt, welches Pionierarbeit zu Themen wie Homosexualität, Geschlecht (und in dem Rahmen Transsexualität und Crossdressing) leistete.
„Männlich“ wirkende rauchende Frauen im Anzug, wie die legendäre Marlene Dietrich, Frauen, die arbeiten gingen oder unverheiratet waren, Persönlichkeiten wie die antike Lyrikerin Sappho, aber auch Kleidungsstücke wie die berühmten kniekurzen, taillenlosen Hängekleider sind ein Symbol dieser Zeit im Umbruch. Auch Romane wie Virginias Woolfs Orlando fallen in diese Zeit.

Und auch obgleich in Kunst und Forschung gesellschaftliche Fortschritte gemacht wurden, teilweise angestoßen durch die aufkeimende Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts und der zeitweiligen Freiheit und Arbeitsmöglichkeiten während des ersten Weltkriegs, verblieb ein großer Teil der Gesellschaft noch in traditionellen Mustern (wenn auch frauenseits teilweise aus finanzieller Notwendigkeit). Wenn es eine gewisse gesellschaftliche Duldung queerer Menschen gab (außer im Falle von Männern: Paragraf 175), verbargen viele ihre Natur in der Öffentlichkeit und lebten sie höchstens in ihren Nachtcafés aus (außer im freieren Berlin).
In Frankfurt gab es in dieser Zeit eine Zweigstelle des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK), welches Aufklärungsarbeit über Homosexualität leistete und versuchte die Bevölkerung gegen §175 zu mobilisieren. Laut einer Publikation des WhKs gingen Polizei und Behörden nicht so scharf gegen Schwule vor, wie es beispielsweise Bayern tat.

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Grafik: Moritz Hamann / CanG

Mit der Machtergreifung Hitlers, und der folgenden Verschärfung des §175, sahen sich queere Menschen einer drastischen Diskriminierung ausgesetzt. Dokumente und Bücher wurden zerstört, daher gibt es nur eine geringe Anzahl von Informationen zu Familiengeschichten und von historischen Zeugnissen über das queere Leben in der Weimarer Zeit. Homosexuelle, die in die Konzentrationslager kamen, erhielten zur Kennzeichnung den rosa Winkel.
Hier finden wir eine traurige Parallele zu der derzeitig steigenden Diskriminierung und Gewalt gegen queere Menschen: Nach Jahren der weitgehenden Akzeptanz (oder Indifferenz), gibt es, angefeuert durch Desinformationskampagnen, eine wachsende Zahl von Angriffen auf queere Personen. Hierdurch kann es sein, dass sich homosexuelle Paare nicht mehr trauen, sich offen zu zeigen.

Nach dem Krieg blieb die Situation immer noch schwierig. So ist ein Schandfleck in der Frankfurter Geschichte die Hetzjagd gegen Schwule in den Jahren 1950 und 1951, die als Frankfurter Homosexuellenprozesse bekannt wurden. Zeitgleich gab es ein Aufleben der Homophilenbewegung Ende der 40er Jahre, bis etwa Stonewall. Mit der nach Stonewall noch stärker wachsenden neuen Protestbewegung, und dem beginnenden gesellschaftlichen Wandel, wurde in Deutschland der Strafrechtsparagraph 175 1969 gelockert. Ab da war der Geschlechtsverkehr zwischen Männern über 21 Jahren nicht mehr strafbar. Dennoch wird von der Gesellschaft Homosexualität größtenteils noch nicht als normal akzeptiert – bis noch in die frühen 2000er Jahre wurde das Wort schwul als Schimpfwort verwendet.
1973 wurde der Paragraph noch weiter entschärft. Das wachsende Selbstbewusstsein führte ähnlich wie in der Weimarer Zeit wieder zu Einflüssen im Filmbereich. Und so inspirierte 1971 die Kino-Ausstrahlung des Filmes „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ viele Schwule dazu Aktionsgruppen in ihren Städten zu gründen, unter anderem auch in Frankfurt. Rote Zelle Schwul wurde 1971 von dem Sexualwissenschaftler Martin Dannecker gegründet, welcher auch am Drehbuch des Filmes mitgearbeitet hatte. Sie bestand bis 1975. In diese Zeit fällt auch der Beginn des Begriffswandels von schwul als Schimpfwort zu einer Eigenbezeichnung (wie es auch mit dem Wort queer im Englischen geschah). Auch das erste Frankfurter schwule Straßenfest fällt in diese Periode.

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Foto: rsi / AIDS-Memorial (1993), Skulptur von Tom Fecht. Gedenkstätte an der Stützmauer der Peterskirche auf dem historischen Peterskirchhof in Frankfurt am Main. Dort wurden die Worte Verletzte Liebe eingemeißelt die an die AIDS-Toten erinnert. Für jeden im abgelaufenen Jahr in Frankfurt an AIDS Verstorbenen wird am Welt-AIDS-Tag jeweils ein Nagel in die Mauer geschlagen.

1980 wurde die Lesbengruppe im Frauen- und Lesbenreferat der Goethe-Universität gegründet. Heute ist daraus das Autonome FLinta-Referat geworden (flinta = Frauen, Lesben, Intersex, Nicht-binär, Trans und Agender).
1989 fand das erste, und bisher einzige, mal das Lesben-Frühlings-Treffen in Frankfurt statt (die Stadt des Treffens wechselt jedes Jahr). Das Treffen inspirierte die Gründung mehrerer Organisationen: 1989 den Lebendiges Lesben Leben LLL e.V. zu dem 1990 das Lesben Archiv dazukam, und 1992 die Lesbenberatung LIBS welche sich an lesbische, bi+sexuelle Mädchen und Frauen sowie nicht-binäre Personen zwischen 12 und 27 Jahren richtet.

Die 80er waren auch vom Beginn der Aids-Krise geprägt. Damals wurde die Krankheit jedoch bis 1982 Grid genannt – Gay Related Immune Deficiency – und enthüllt schon die Vorurteile und Politik dieser Zeit. Letztere kam auch auf geschichtsvergessene Ideen wie Homosexuelle in Lager wegzusperren. Die Schwulencommunity hatte im Laufe der Jahre viele Opfer zu betrauern. Während der Einsatz in der Aids-Hilfe mit den Jahren stieg, sank die Anzahl derer, die offen schwul waren.

Der Christopher Street Day wird in Frankfurt seit 1992 offiziell gefeiert. Zunächst eintägig und im Kleinen als „Homosolidarität“ in der Klingerstraße mit vielleicht 3000 Besuchenden. Die ersten Jahre waren vom Thema Schwulen- und Lesben-Rechte geprägt, sowie den Kürzungen der Mittel in der Aids-Hilfe. Ende der 90er war das immer präsente Thema der Diskriminierung, im Speziellen am Arbeitsplatz. Primär wurde im Rahmen der Veranstaltungen immer von Schwulen und Lesben gesprochen, andere Identitäten wurden erst ab 1996 mit queer erwähnt. So manche junge queere Person wird in der Zeit den CSD aber noch nicht als „meine Veranstaltung“ gesehen haben, sofern sie überhaupt wusste, dass sie queer ist. Der Druck „normal“ zu sein schien in den 90er Jahren hoch. Erst mit der großen Welle der Internet-Anschlüsse Ende der 90er konnte man über viele Informationen über queere Identitäten jenseits des Homosexuellen stolpern, die zeigten: „du bist normal und nicht kaputt“.
Liest man in der Chronik des Frankfurter CSDs, so fing aber schon seit einer Weile, ein Generationenwandel an, der Feste vor Ort, wie den CSD (damals noch Gay Life), inklusiver machte – aber scheinbar auch weniger kämpferischer.

Die gesellschaftliche und politische Akzeptanz schreitet im Laufe der Jahre voran. So berichtet der Frankfurter CSD-Organisator schon 2001 davon, dass heutzutage Sponsoring möglich sei, im Gegensatz zu früher! Auch wenn man sich Umfrageergebnisse anschaut, ist zu sehen, dass zum Beispiel der Anteil an Homophobie in der Bevölkerung von 2002 bis 2016 gesunken ist.
Seit 2019 findet in Frankfurt auch der Dyke*March (übersetzt Lesben*Marsch) jährlich in der Stadt statt, parallel zu dem allgemeinen Neustart dieses Protestmarsches zum 50-jährigen Jubiläum von Stonewall. Der erste Dyke*March fand 1993 statt, für das Recht auf Gleichheit und Freiheit für LGB (man beachte die damalige Exklusion der restlichen Queeren).

Auch wenn die Dinge offensichtlich besser wurden, sind nun in den 20er Jahren des 21. Jahrhunderts wieder erschreckende Rückschritte zu beobachten. Gewalttaten gegen queere Personen in Deutschland nehmen zu. Hier finden Sie Meldungen in Frankfurt.

Eine bunte Vielfalt: LGBTQIA+

Viele, die selbst keine offensichtlichen Berührungspunkte mit queeren Menschen haben, und sich damit nie beschäftigt haben, sind mit den Begriffen überfordert. Meist wissen sie was L G und T sind, aber der Rest ist ein großes Fragezeichen, insbesondere ,da einige queere Gruppen recht unsichtbar sind. Dieser Abschnitt stellt die verschiedenen Geschlechts- und Sexualitätsformen vor und welche Flagge jeweils dazugehört. Etwa 20 % der Weltbevölkerung ist nicht heterosexuell (schaut man sich andere Länder und die dortige Akzeptanz an, könnte der tatsächliche Anteil sogar höher liegen).
Plakative Annahme: Aber es gibt nur zwei Geschlechter, du bist entweder xx oder xy! -Wissenschaft sagt nein.
Chromosonen, Hormone und Gehirne sagen nicht zwangsläufig etwas über das Geschlecht, sei es körperlich oder mental, aus.

#LGBT #Lesbisch #Flagge
Lesben-Flagge

LG Homosexuell: Dieser Begriff umfasst schwule (Mann) und lesbische (Frau) Menschen. Im Gegensatz zur Heterosexualität, welche die sexuelle Anziehung zum entgegengesetzten Geschlecht beschreibt, sind hier Menschen des gleichen Geschlechts potenzielle Partnerpersonen.
Etwa 3 % der Weltbevölkerung geben an Homosexuell zu sein.

Schwulen-Flagge (gay)
Bisexuell-Flagge


B Bisexuell: Diese Orientierung beschreibt Menschen, die sich von Männern und Frauen angezogen fühlen. Eine Person, die nach außen hin in einer heterosexuellen Beziehung lebt, kann also dennoch nicht-hetero sein.

Transgender-Flagge


T Transexuell: Manchmal macht der Körper bei der Entwicklung neuen Lebens sozusagen ein Upsi und das körperliche Geschlecht und das des Gehirns passen nicht zusammen. Diese Menschen wissen schon von Kindheit an, das ihr Körper das falsche Geschlecht hat. Dank passender Hormontherapie und Operationen kann heutzutage der Körper korrigiert werden. Eine operative Geschlechtsumwandlung bereuen laut Studien tatsächlich nur ca. 1 % – im Gegensatz dazu liegt die Unzufriedenheitsrate bei Heterosexuellen bei einer Mastektomie (Brustentfernung bei Krebs) bei zwischen 5 – 14 %, bei Schönheitsoperationen sogar bei bis zu 60 %. Auch gesundheitlich geht es Transsexuellen nach einer Geschlechtsanpassung besser.
Je nach Quelle und Land sind etwa 0,5 % bis zu 3 % der Bevölkerung Trans (niedrigere Raten in der älteren Bevölkerung, höhere Raten in der Jugend, die früh Zugriff zu Informationen hat und in einer toleranteren Gesellschaft aufwachsen).

Intergeschlechtlich- /Intersexuell-Flagge

I Intersexuell/ Intergeschlechtlich: Menschen, bei denen sich ihre Genitalien aus verschiedenen Gründen nicht typisch entwickeln, oder die sogar weibliche und männliche Geschlechtsmerkmale entwickeln, sind Intergeschlechtlich. Früher wurden diese Kinder ungefragt zu einem Geschlecht nach Wunsch der Eltern umoperiert, was den Betroffenen viel Leid verursachte.
Genaue Zahlen gibt es nicht, aber schätzungsweise bis zu 0,1 % der Bevölkerung gehören dazu.
Flaggensymbolik: Gelb und Purpur als Farben die nicht einem Geschlecht zugeordnet sind. Der Kreis um Ungebrochenheit und Vollständigkeit zu symbolisieren.

Asexuell-Flagge


A Asexuell (Ace) beschreibt das Fehlen einer sexuellen Anziehung. Eine Untergruppe der Aces, demi-/ grey Ace, können im Laufe einer Beziehung diese Anziehung nur für ihre Partnerperson entwickeln. Manche möchten niemals Sex, manche mögen dennoch zu masturbieren (Auto-Sexuell), manche finden beides abstoßend, das Ace-Spektrum ist sehr unterschiedlich, was Sexualität angeht.

Aromantisch-Flagge


A Aromantisch (Aro) bezeichnet das Fehlen von romantischen Gefühlen. Da Romantik von Partnerpersonen als Zeichen der Wertschätzung gesehen wird, können es Aros hier sehr schwer haben.

Agender-Flagge


Agender: Diese Geschlechts(nicht)identität wird gerne der Nicht-Binärität zugeordnet, aber viele Agender identifizieren sich selbst nicht so, denn das fremde Konzept von Geschlecht passt einfach nicht zur eigenen Identität und wird höchstens aus Praktikabilität im Umgang mit anderen verwendet. Wenn Geschlecht ein Gefühl ist, so fühlt man nun eben .. keines, sondern ist einfach ich.

+ Nicht-Binär / Genderqueer und Genderfluid: Nicht-binäre und genderqueere Menschen fühlen sich nicht nur als Mann oder Frau, sondern entweder als beides, oder ein drittes Geschlecht. In ihrem Geschlechtsausdruck können sie mit stereotypischen Konventionen brechen und zum Beispiel „als Mann“ bunten Nagellack tragen. Nicht-Binär und Genderqueer unterscheiden sich subtil: Im ersten Fall wird die Binärität verneint und die Geschlechtsidentität betont, im Zweiten sieht man sich ausserhalb der Geschlechtsstereotypen, also que(e)r zum Konzept Mann/Frau. Im Falle von Genderfluid ist die Grenze (und somit auch die Identität) zwischen den binären Geschlechtern fluide – dies muss nicht unbedingt nach außen hin sichtbar sein, kann aber.

Nichtbinär-Flagge
Genderqueer-Flagge
Genderfluid-Flagge
Pansexuell-Flagge


+ Pansexuell: Im Gegensatz zu Bisexuell beschränkt sich diese Sexualität nicht auf das Geschlecht und den Geschlechtsausdruck ihrer potenziellen Partnerperson, da es schlichtweg egal ist. Auf die Person und die sexuelle Anziehung zu ihr kommt es an. Für Nerds: Das Gegenbeispiel zu Pansexuell ist Dr. Crusher in der Star Trek TNG Folge „Odan, der Sonderbotschafter“, bei der sie Odan nur solange liebt, solange Odan in einem männlich gelesenen3 Körper steckt. Sobald „er“ eine „sie“ ist, empfindet sie keinerlei Anziehung mehr zu Odan.

Panromantisch-Flagge


+ Panromantisch: Das obige, aber ohne sexuelle Anziehung. Wie bei einer asexuellen Person die romantische Anziehung verspürt, zählt hier wie eine Person sich gibt, ihre Persönlichkeit und Interessen. Etwas, das bei Allosexuellen 4meist sekundär zu den zuerst auftretenden sexuellen Gefühlen steht.
Es ist also beispielsweise möglich schwul zu sein, aber dennoch romantische Gefühle für Frauen zu empfinden.
Wenn sie sich jetzt fragen: Gibt es auch homoromantisch? Die Antwort ist: ja! Die Flagge sieht entsprechend der Panromantischen aus: die Flagge der entsprechenden sexuellen Anziehung aufgehellt, mit einem Herzen in der Mitte.

Regenboggen-Flagge


Q Questioning / Queer: Queer ist alles oben beschriebene und Varianten, die davon nicht abgedeckt sind. Queer war früher zeitweilig ein Schimpfwort, wurde jedoch schon in den 80er Jahren reklamiert – manche ältere Menschen mögen das Wort daher nicht.
Auch Menschen die noch in ihrer Selbstfindungsphase bezüglich ihrer Sexualität und/oder Geschlechtsidentität sind, also fragend (questioning), fallen unter das Q des Akronyms, wobei nicht jede LGBT+ Gruppe Questioning als validen Teil des Akronyms ansieht.

Die Regenbogenflagge

Regenbogenflagge mit 8 Farben: Hot Pink, Rot, Orange, Gelb, Grün, Türkis, Ultramarin und Lila
Gilbert Baker Flagge von 1978
Bedeutung der Farben von oben nach unten: Sex, Leben, Heilung, Sonnenlicht, Gelassenheit und Nature, Kunst, Harmonie, Geist

Eine Flagge, die für die gesamte LGBT+ Gemeinschaft steht, ist die Regenbogenflagge. Am vertrautesten für die meisten, auch nicht-queeren Menschen, ist jene mit 6 Farbstreifen, die allererste aus dem Jahre 1978 besaß aber tatsächlich 8. Ihr Schöpfer, Gilbert Baker, lies sich von den, aus seiner Sicht, Flaggen der Revolution, USA und Frankreich, inspirieren, da die Szene ja selbst um ihre Rechte kämpfte. Die Buntheit des „ballrooms“, mit all den unterschiedlichsten Leuten, inspirierte ihn zu der Idee des Regenbogens. In der christlichen Kultur ist der Regenbogen ein Symbol der Hoffnung und Bundes, ein deutlich besseres Symbol, als das rosa Dreieck welches bis dahin trotz seiner Geschichte in der Szene genutzt wurde.

Regenbogenflagge 1978, 7 Farben


Im selben Jahr in dem die 8-farbige Regenbogenflagge entstand, wurde Harvey Milk, ein offen schwuler Politiker, ermordet. Dem als zu milde empfundenen Urteil im Jahre 1979 gegen dessen Mörder Dan White folgten die sogenannten „White Nights Riots“. Der Bedarf an Flaggen war schon 1978 groß, aber es war schwierig ausreichende Mengen des pinken Stoffes einzukaufen und so wurde der Regenbogen auf 7 Farben reduziert.

Regenbogenflagge seit 1979, 6 Farben


Für die „Gay Freedom“-Parade 1979 in San Francisco verändert Baker das Design der Flagge noch einmal, da er die Flagge zur Dekoration gleichmäßig aufteilen wollte, was bei 7 Farben unmöglich war. Türkis und Indigo wurden durch Jeansblau ersetzt.
Diese Flagge ist die bekannteste, obwohl sie teilweise durch die Philadelphia-Flagge und Progress-Flagge ersetzt wurde. Letztere wurde nochmals 2021 aktualisiert.

Philadelphia-Flagge, welche zusätzlich an Inklusion und Intersektionalität 5erinnert


Die Philadelphiaflagge wurde 2017 von der Stadt Philadelphia entwickelt, um auf die Probleme der BiPoc6-Gemeinschaft aufmerksam zu machen. Auch wenn die Geschichte der Flagge und der Pride letztendlich ihren Ursprung im Aktivismus von PoC hat, sind Teile der weißen LBGT+ Community nicht inklusiv, sondern genauso rassistisch wie cishet 7Personen.
Trotz der Kritik an der Flagge wurde sie letztendlich gut angenommen.

„Progressiv Pride“-Flagge (2018)
Designer: Daniel Quasar, non-commercial CC

Die beiden „Progress Pride“Flaggen (2018 und 2021) sind eine Weiterentwicklung der Philadelphiaflagge mit dem Gedanken, die marginalisierten Gruppen der Trans- sowie intergeschlechtlichen Personen hervorzuheben. Erstere erleben viel Transmisia / Transphobie (also Hass und Angst, seit jeher schlechte Berater des Menschen), zweitere werden schlichtweg vergessen oder als unwichtig abgetan.

„Intersex Inclusiv Progress Pride“-Flagge (2021) Designer: Valentino Vecchietti von Intersex Equality Rights UK

Beide Flaggen werden zum einen positiv gesehen, andererseits auch kritisch gesehen. Kritiker sehen sie als symbolische Geste ohne etwas tun zu müssen (also einem sogenannten performativen Aktivismus), zudem sei die Regenbogenflagge selbst schon ein Symbol der Vielfalt. Da es jedoch schon zur Philadelphia-Flagge Morddrohungen gab, sind aber vielleicht solche Erinnerungen leider doch scheinbar nötig, um Menschen mit ihren Vorurteilen zu konfrontieren.

Kurzes Glossar

  1. Drag Queen/ King: Eine Queen oder King ist eine Kunstfigur, gespielt von einer Person die diesem Geschlecht nicht angehört. Im Gegensatz dazu steht der Transvestit (seltener Transvestitin, heute wird auf Grund der negativen Assoziation generell der Begriff Crossdresser bevorzugt), die entweder künstlerisch in wechselnde Rollen schlüpfen, oder, zumeist im Privaten, Kleidung des binär anderen Geschlechts tragen. Typisch im Drag (Fummel) ist die im doppelten Sinne laute Überzeichnung von Geschlechter-Stereotypen. ↩︎
  2. Binär: Aus dem Lateinischen bina also doppelt, paarweise. Im Kontext von Geschlecht meint dies Mann und Frau ↩︎
  3. Männlich/Weiblich Gelesen: Da man einer Person die Geschlechtsidentität nicht ansehen kann, wird statt Mann oder Frau, nur das nach Außen hin offensichtliche Geschlecht benannt ↩︎
  4. Allosexuell: Bezeichnet allgemein Personen, die eine sexuelle Anziehung verspüren. ↩︎
  5. Intersektionalität: Beschreibt eine Form der Diskriminierung, die nicht lediglich eine Mehrfachdiskriminierung ist, sondern durch die Kombination der Merkmale verstärkt diskriminierend funktioniert. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Kombination schwarz+Frau, die eine sehr viel höhere Diskriminierung erfährt als schwarz+Mann. Intersektionalität ist also nicht einfach Diversität, sondern betrachtet Geschlecht, Klasse, Ethnie und sexuelle Orientierung in ihrer Wechselwirkung. ↩︎
  6. BiPoC: Black, Indigenous People and People of Colour, also Schwarze, Ureinwohner und Menschen die nicht Weiß sind (wobei „Weiß“ eines eigenen Aufsatzes bedürfte). Entsprechend ist PoC People of Colour und wird als Eigenbegriff auch im Deutschen zunehmend verwendet. Historisch wurde PoC schon von der Black-Power-Bewegung verwendet. ↩︎
  7. Cisgender (cis): Eine Person deren Geschlechtsidentität mit dem körperlichen Geschlecht übereinstimmt. Eine cishet (cis und hetero) is also eine nichtqueere Person. ↩︎

Autorin: paw / GFFB
Grafiken: mha / GFFB

Quellen: https://www.history.com/topics/gay-rights/the-stonewall-riots
https://www.statista.com/topics/8579/lgbtq-worldwide/
Quellen & Lesematerial: https://www.marx21.de/stonewall-riots-1969-queerer-klassenkampf/
Lesematerial: https://www.womenshistory.org/education-resources/biographies/marsha-p-johnson

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